• Erbrecht

    Reduktion des späteren Pflichtteilsanspruches durch Hauswirtschaftsleistungen, Botengänge und Pflegeleistungen

    Die Ausgangssituation ist in der Beratungspraxis oft die Folgende: Die Mandanten sind Eltern mehrerer Kinder. Eines der Kinder kümmert sich um die Eltern – beispielsweise durch kleinere Erledigungen im Alltag wie Einkäufe von Lebensmitteln, Botengänge zu Behörden und Apotheken, Fahrdienste zu Ärzten. Die anderen Kinder kümmern sich dagegen wenig bis gar nicht um die Eltern.

    Wollen die Eltern nun mit Blick auf die Erbfolge das Kind privilegieren, welches sich zu deren Lebzeiten um sie gekümmert hat, kommt schnell das Thema Pflichtteil auf den Tisch. Das heißt: Auch die Kinder, die sich nicht um die Eltern gekümmert haben, und sogar die Kinder, die sich überhaupt nicht um das Wohlergehen der Eltern kümmerten, steht der Pflichtteil zu – also eine finanzielle Mindestteilhabe am Nachlass eines jeden Elternteils.

    Das Problem: Dieser Pflichtteilsanspruch ist – wie vom Verfasser schon oft an anderer Stelle dargelegt – ein sehr hohes Gut in unserer Rechtsordnung, denn er soll versinnbildlicht jedem blutseigenen Kind einen Mindestanteil an der wirtschaftlichen Lebensleistung eines jeden Elternteils zubilligen und das unabhängig von zwischen Eltern und Kind wechselseitig geteilter Gunst und Missgunst, Zuneigung und Abneigung und nicht selten wechselseitigem Hass und wechselseitiger Liebe. Die deshalb von den Eltern in der Beratungspraxis das ein oder andere Mal gehegte Idee, man müsse das lebzeitige Vermögen deshalb mit warmen Händen großzügig auf die begünstigten Kinder verteilen, findet in der Regelung des § 2325 BGB schnell eine kaum zu überwindende Grenze, denn: Lebzeitige Schenkungen, die über das Maß einer Anstandsschenkung hinausgehen, werden mit ihrem vollen Wert dem späteren Nachlass hinzugerechnet und können deshalb so nicht umgangen werden. Soll heißen: Die Eltern können dem begünstigten Kind nicht hier und da mal 5.000 € oder 25.000 € oder gar 100.000 € zukommen lassen, ohne dass dies zu einem erheblichen Zuwachs des Pflichtteilsergänzungsanspruches der anderen Kinder führt.

    Die Lösung: Die Lösung für dieses Problem muss deshalb folgende Weichenstellung beachten: Eine Schenkung ist die Hingabe von Vermögen ohne das Erbringen einer Gegenleistung durch den Beschenkten. Die Eltern dürfen dem begünstigten Kind also kein Vermögen schenken, sondern müssen sich eine Gegenleistung von diesem Kind versprechen und zukommen lassen.

    Eine Gegenleistung des begünstigten Kindes kann alles sein, was in unserer Wirtschaftsordnung einen kapitalisierten Wert hat – also auch Einkäufe von Lebensmitteln, Botengänge zu Behörden und Apotheken, Fahrdienste zu Ärzten und sogar das Aufräumen der Wohnung.

    Genau hier liegt die Lösung in dem Dilemma vieler Eltern, die Vermögen auf begünstigte Kinder umschichten wollen. Die Eltern können einen Vertrag mit ihrem begünstigten Kind schließen, kraft dessen sich dieses begünstigte Kind verpflichtet zur Durchführung von Hauswirtschaftsleistungen, Botengängen und Fahrten zu Ärzten und Behörden. Im Gegenzug für diese Verpflichtung des Kindes zur Betreuung erhält dieses eine angemessene monatliche Vergütung. Der Clou: Diese monatliche Vergütung – also der Zufluss von Geld an das Kind – ist dann keine Schenkung mehr, sondern eine Gegenleistung für die oben beschriebenen Dienste und Verrichtungen des täglichen Lebens. So können Eltern monatlich Vermögen auf Kinder umschichten, ohne dass dieses Geld später einmal für den Pflichtteilsanspruch der anderen Kinder zur Anrechnung kommt.

    Was ist dabei zu beachten? Dieser Vertrag sollte schriftlich zwischen den Eltern und dem die Pflegeleistung versprechenden Kind geschlossen werden. Der Grund für die empfohlene Schriftform: Im Nachgang kann nur durch eine schriftliche Urkunde zuverlässig bewiesen werden, dass es eine solche Abrede zwischen Eltern und Kind tatsächlich gab. In dieser Urkunde sollten die Pflegeleistungen und die monatlichen Zahlungen an das Kind genau festgelegt werden. Diese Geldleistungen durch die Eltern an das betreffende Kind müssen darüber hinaus wirtschaftlich angemessen sein. Für die Verpflichtung eines Kindes, einmal die Woche beim Aufräumen der Wohnung zu helfen und den Einkauf von Lebensmitteln zu besorgen, auf Abruf Fahrten zu Ärzten, Apotheken und Behörden vorzunehmen, kann ein Betrag von 500 € pro Monat angemessen sein, sodass eine jährliche Abschmelzung des Elternvermögens um 6.000 € möglich ist, ohne das dies im Nachgang zur Schenkungsproblematik im Pflichtteilsrecht führt.

  • Erbrecht

    Jetzt verschenken oder später vererben – Taktik und Strategie gegen die Erbschaftssteuer (und böse Kinder)

    Nicht selten zeigt die Beratungspraxis: Mandanten, die vermögend sind, wollen mit zunehmendem Alter gar nicht mehr zwangsläufig vermögend sein. So mancher Leser dieses Satzes mag diese Gesinnung womöglich als regelrecht absurd abtun, doch Eigentum zu halten, zu verwalten und zu pflegen kostet Zeit, Geld und (auch oft genug nervenaufreibende) Anstrengung. Wer Immobilien sein Eigen nennt, weiß, was ich meine: Angaben machen gegenüber dem Finanzamt zur Grundsteuer, Verwalten der Gebäude- und Elementarversicherung, Handwerker für nötige Instandhaltungsmaßnahmen finden, Auseinandersetzung mit Mietern, Nachbarn oder Miteigentümern usw. – all das wird so manchem Eigentümer im vorgerückten Alter mehr und mehr zu einer Belastung. Bei großen Vermögen sorgen sich die Leute darüber hinaus um eine etwaig mit ihrem Tode anfallende Erbschaftssteuer, welche im Ernstfall für die Erben die Konsequenz haben kann, erhebliche Teile des Nachlasses verkaufen zu müssen, um die anfallende Erbschaftssteuerlast tragen zu können.

    Nun gibt es zwei Wege die eigene Immobilie an die Kinder zu übertragen: einmal mittels einer Schenkung zu Lebzeiten im Wege eines sog. „Überlassungsvertrages“. Der andere Weg: In einem Testament wird festgelegt, dass die Immobilie auf die Kinder übergeht, was dann aber erst mit dem Ableben stattfindet.

    Welcher der beiden Wege der Richtige ist, kann nur im Rahmen eines mit dem Rechtsanwalt geführten eingehenden Gespräches ermittelt werden. Dennoch kann pauschal hierzu Folgendes gesagt werden: Werden noch Mieteinnahmen oder Pachterträge aus dem Grundstück gezogen und ist der Mandant finanziell auf diese angewiesen, dann spricht dies tendenziell gegen eine Überlassung zu Lebzeiten an die Kinder. Darüber hinaus muss sich der Mandant fragen, ob er gegebenenfalls für eine später mal erforderliche Pflege Geld brauchen könnte –, denn dann kann er das Grundstück (wenn er es schon zu einem früheren Zeitpunkt auf die Kinder übertragen hat) nicht mehr zu Geld machen.

    Wenn Sie lieber Leser überlegen, das von Ihnen bewohnte Hausgrundstück auf die Kinder jetzt zu Lebzeiten zu übertragen und sich hierbei ein Wohnungsrecht vorbehalten, dann gebe ich Ihnen hier eine Überlegung mit auf den Weg, die zwar rein psychologischer Natur ist, aber deshalb nicht weniger entscheidend: Wenn Sie das Haus selbst gebaut haben oder es über viele Jahrzehnte hinweg als Ihre wirtschaftliche Lebensleistung finanziert haben, dann kann es sein, dass Sie sich als „Hausherr“ eigentlich gar nicht ihren Kindern als potenzielle Eigentümer beugen wollen.

    Heißt dies nun, die schenkweise Übertragung von Immobilien zu Lebzeiten auf die Kinder ist zwingend auch ein unsicherer Weg, weil der Mandant dann seine Verfügungsgewalt womöglich zu früh aus der Hand gibt? – Nein, um die Zügel in den Händen zu behalten, können Sie im Grundbuch Rückforderungsrechte eintragen lassen, die verhindern, dass die Kinder das Grundstück veräußern können.

    Für das Verschenken einer Immobilie zu Lebzeiten sprechen aber insbesondere steuerrechtliche Vorteile: So kann der erbschaftssteuerrechtliche Freibetrag eines Kindes in Höhe von aktuell 400.000 Euro alle 10 Jahre ausgeschöpft werden, anstatt einmalig zum Todeszeitpunkt. Dies ist meiner Erfahrung nach einer der Hauptgründe, warum Mandanten bei größeren Vermögen Immobilien auf die Kinder übertragen.

    Ein weiteres in der Praxis sehr häufig anzutreffendes Motiv von Mandanten, Grundstücke, Häuser und Wohnungen bereits zu Lebzeiten zu übertragen, ist das Vermeiden und Ausschalten von zukünftigen Pflichtteilsansprüchen der Kinder. Die Überlegung ist dabei folgende: Was zu Lebzeiten verschenkt wird, kann ja nicht in den Nachlass beim eigenen Ableben gelangen, sodass enterbte und renitente Kinder dann keinen Pflichtteilsanspruch in Bezug auf diese Immobilien geltend machen können. So clever, einfach und einfallsreich diese Lösung auch klingen mag, so funktioniert sie in der Praxis nur bedingt, denn eine solche lebzeitige Schenkung wird bis zu 10 Jahre nach dem Übertragen der Immobilie noch so behandelt, als ob deren Wert sich im Nachlass befindet. Da der Wert der Schenkung, welche den Nachlass noch hypothetisch hinzugerechnet wird, aber jährlich mit 10 % abschmilzt, empfiehlt sich dieses Vorgehen regelmäßig trotzdem.

  • Erbrecht

    Enterbt von den Eltern: Informations- und Auskunftsrecht eines enterbten Kindes

    Werden Kinder von den Eltern enterbt, so haben sie einen Pflichtteilsanspruch, der sich gegen denjenigen richtet, der geerbt hat – regelmäßig die bevorzugten Geschwister oder der verwitwete Elternteil. Aber Pflichtteil hin oder her: Um den Pflichtteil überhaupt tatsächlich auch geltend machen zu können, muss das enterbte Kind wissen, wie werthaltig der Nachlass ist, also wieviel Sparvermögen sich auf Bankkonten, Sparbüchern oder als Bargeld im Nachlass befindet. Überdies muss das enterbte Kind auch in Erfahrung bringen, welche Immobilien – also Grundstücke und Eigentumswohnungen – der verstorbene Elternteil zu Lebzeiten in seinem Eigentum hatte. Hierfür schuf der Gesetzgeber mit § 2314 BGB ein Gesetz, das einen sehr umfassenden Auskunftsanspruch denjenigen Kindern einräumt, welche von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind und nun den Pflichtteil einfordern wollen.

    Dieser Auskunftsanspruch ist sehr umfassend und bürdet den Erben die Pflicht auf, ein sog. Nachlassverzeichnis zu erstellen. In diesem Nachlassverzeichnis muss der Erbe alle Gegenstände, also insbesondere Geldbestände, Kunstwerke, Edelmetalle und Immobilien auflisten. Aber nicht nur das: auch in der Vergangenheit von dem verstorbenen Elternteil gemachte Schenkungen müssen dem enterbten Kind mitgeteilt werden, denn Schenkungen, die der verstorbene Elternteil in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod gemacht hat, können unter Umständen noch den Pflichtteil erhöhen. Der Grund: Eltern sollen sich nicht vorsätzlich vor ihrem Ableben „arm“ schenken können, um so schon vorweg Pflichtteilsansprüche ungeliebter Kinder zu reduzieren oder gar ganz auszuschalten.

    Besteht kein Vertrauen in das von dem Erben verfasste Nachlassverzeichnis, so kann auf Kosten des Nachlasses von dem pflichtteilsberechtigten Kind auch die Anfertigung eines sog. notariellen Nachlassverzeichnisses angefordert werden.

    Der Gesetzgeber beabsichtigte, dass jedem Kind eine Mindestteilhabe am Nachlass der Eltern zusteht, dem sich die Eltern nicht entziehen können sollen – gemäß dem altdeutschen Sprichwort aus dem Erbrecht „Das Gut fließt wie das Blut“, was sich sinngemäß in den heutigen Sprachgebrauch als „Hashtag: Für den Pflichtteil muss der Erbe bluten“ übersetzen ließe. Der Bezifferung des Pflichtteilsanspruches trägt der Auskunftsanspruch dementsprechend Rechnung.

    Laurens Häfner
    Rechtsanwalt

  • Erbrecht

    Mehr vom Erbe für das Kind, das den Angehörigen zuvor gepflegt hat?

    Eine interessante Frage, die sich insbesondere die Kinder pflegebedürftiger Eltern stellen, ist: Erhöht sich der mir zustehende Erbteil, nachdem ich jahrelang – manchmal sogar über Jahrzehnte – die eigenen Eltern gepflegt habe? Diese Frage stellt sich oftmals erst mit dem Ableben des letzten Elternteils, der in der eigenen Wohnung oder gar in der Wohnung des Kindes von diesem gepflegt wurde und nach dessen Ableben dann alle erbberechtigten Abkömmlinge zusammenkommen und das Erbe auseinandersetzen wollen. Spätestens dann stellt sich bei demjenigen Kind ein –berechtigtes –  Störgefühl ein, das ohne Entgelt jahrelang für die Pflege der eigenen Eltern aufopfernd eingetreten ist und dann bei der Erbauseinandersetzung „nur“ denselben Anteil am Erbe erhalten soll wie auch die Geschwister, die sich nicht um die Eltern gekümmert haben.

    Der Gesetzgeber wollte diese sich aufdrängende Ungerechtigkeit ebenfalls nicht hinnehmen und schuf infolgedessen § 2057a BGB. Wer also ein Elternteil „während längerer Zeit gepflegt hat“, kann Ausgleichung bei der Erbauseinandersetzung verlangen. Die genaue Höhe des hierfür zu veranschlagenden Geldbetrages wird nach Dauer und Umfang der vorgenommenen Pflege sowie dem Wert des Nachlasses ermittelt – eine nicht ganz einfach durchzuführende Rechnung. Auch wenn es nahe liegt, bedeutet dies eben nicht, dass die Pflege durch den Angehörigen gemessen auf den zu pflegenden Zeitraum mit der Vergütung einer Pflegefachkraft gleichgesetzt und dann folgerichtig multipliziert wird.

    Stattdessen ist ein Geldbetrag zu ermitteln, der als Differenz folgender zwei Fragen Rechnung trägt: Welche Höhe hätte das Endvermögen des zu pflegenden Elternteils am Todestag gehabt, wenn dieser Elternteil im Zeitraum seiner Pflegebedürftigkeit tatsächlich hätte in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden müssen? Welche Höhe hatte das Vermögen des verstorbenen Elternteils dann tatsächlich zum Todeszeitpunkt? Ist das jetzige Vermögen des verstorbenen Elternteils tatsächlich höher als wenn der Elternteil in einem Pflegeheim untergebracht hätte werden müssen, dann kann dieser Differenzbetrag als Ausgangspunkt für die Summe herangezogen werden, welche dem die Pflege durchführenden Kind nach § 2057a Abs. 1 BGB zukommen soll.

    Laurens Häfner
    Rechtsanwalt

  • Erbrecht

    Vater mögest Du „verrecken“ – wie entziehe ich dem Kind den Pflichtteil? 

    (OLG Saarbrücken, 5 U 61/15)

    In der täglichen Beratungspraxis äußern die Mandanten oft den Wunsch, dass eines ihrer Kinder nichts erben und insbesondere auch nicht den Pflichtteil erhalten soll. Dem ersten Wunsch, wonach man das Kind enterben will, ist aus anwaltlicher Sicht leicht zu entsprechen: Hierzu müssen die Eltern lediglich ein Testament aufsetzen, in welchem sie anordnen, wer anstelle des Kindes erbt oder in welchem sie festlegen, dem betroffenen Kind nichts zukommen zu lassen.

    Schwieriger ist es jedoch, den oft geäußerten Wunsch des Mandanten einer Lösung zuzuführen, wonach das Kind am Nachlass der Eltern überhaupt nicht partizipieren soll, das Kind also auch nicht den sog. Pflichtteil beanspruchen könnte.

    Der Pflichtteil ist ein Minimum an Geldvermögen, welches ein Kind nach dem Tod seiner Eltern aus dem Nachlasswert beanspruchen kann.

    § 2333 Abs. 1 BGB regelt die Anforderungen, welche an den Entzug des Pflichtteils seitens der Eltern gegenüber eines der Kinder zu stellen sind. Neben den wenig relevanten Fallgruppen, wie etwa das Verbüßen einer längeren Gefängnisstrafe, einem versuchten Tötungsdelikt gegen die Eltern oder vernachlässigter Unterhaltspflichten, kommt es regelmäßig darauf an, ob sich das Kind gegenüber seinen Eltern eines „schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig“ gemacht hat.

    Die oft anzutreffende Konstellation der Entfremdung zwischen Eltern und Kind reicht für den Entzug des Pflichtteils also nicht aus – gemeint ist hier, dass Eltern und Kind sich auseinandergelebt haben und schon über Jahre oder gar Jahnzehnte keinerlei Kontakt mehr pflegen.

    Vielmehr muss das Kind gegenüber einem Elternteil eine Verfehlung begangen haben, die einerseits schwer wiegt und andererseits die den Eltern gegenüber geschuldete familiäre Achtung schwer verletzt. Die Rechtsprechung stellt hier auf eine empfindliche Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses ab.

    Den hohen Anforderungen an den Entzug des Pflichtteils tat eine Tochter gegenüber ihrem Vater genüge, welche in einem von dem Saarländischen Oberlandesgericht zu entscheidenden Rechtsstreit ihrem Vater mehrfach ins Gesicht schlug, ihm im Anschluss demonstrativ den Mittelfinger ins Gesicht hielt, ihn währenddessen als „Dreckschwein“, „Arschloch“ und „Idiot“ betitelte und ihm abschließend den Tod mit den Worten er möge „verrecken“ wünschte (OLG Saarbrücken – Urteil vom 05.10.2016 – 5 U 61/15). Hier sahen die Richter die hohen Anforderungen des Pflichtteilsentzugs als gegeben an und bejahten die Rechtmäßigkeit des Entzugs des Pflichtteils durch den Vater gegenüber der Tochter.

    Grenzfälle sieht die Rechtsprechung dort, wo das Kind gegenüber den Eltern einmalig gewalttätig und beleidigend in Erscheinung trat aber der Anlass hierfür in einem Affekt des Kindes lag. Exemplarisch sei hierfür die Eskalation auf einer Familienfeier genannt, in welchem ein Elternteil und das Kind – womöglich enthemmt durch Alkohol – verbal und physisch in eine Auseinandersetzung geraten. Lag der Anlass hierfür beispielsweise in Sticheleien des Vaters, welcher mit der Lebensführung des Kindes unzufrieden ist und kommt es dann durch das Kind zu einem verbal lautstark und zusätzlich vielleicht auch mit Handgreiflichkeiten geführten Streit, so spricht viel dafür, dass die hohe Messlatte der Pflichtteilsentziehung noch nicht erreicht ist, weil es sich um einen einmaligen Vorfall handelte.

    In jedem Falle müssen der Sachverhalt und die Hintergründe, welche den Elternteil veranlassen, dem Kind den Pflichtteil zu entziehen, im Testament nachvollziehbar aufgezeigt werden.

    Laurens Häfner
    Rechtsanwalt