Verteidiger kennen das leidige Problem: Der Beschuldigte möchte in der Hauptverhandlung keine Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen machen und das Gericht droht ihm mit einer Hausdurchsuchung, um diese Umstände zu ermitteln, woraufhin dann meist doch eine Einlassung diesbezüglich anzuraten ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich nun in einer ähnlichen Konstellation mit der Verhältnismäßigkeit einer solchen Wohnungsdurchsuchung befasst und dies für verfassungswidrig erklärt (BVerfG, Beschluss vom 15.11.2023, Az.: 1 BvR 52/23).
Der Beschuldigte ist beamteter Lehrer und ihm wurde eine Beleidigung vorgeworfen. Sein Verteidiger gab im Ermittlungsverfahren eine Erklärung ab, die sich inhaltlich gegen die Tatvorwürfe richtete, aber zum Einkommen des Beschuldigten nur beiläufig mitteilte, er sei „Beamter im aktiven Dienst“.
Die Staatsanwaltschaft hielt es nicht für nötig, nach den Details zu fragen, sondern beantragte beim Amtsgericht sogleich eine Wohnungsdurchsuchung zur Ermittlung der Einkommensverhältnisse für eine in Betracht kommende Geldstrafe. Die Ermittlungsrichterin unterzeichnete diesen Blödsinn und so standen unvermittelt mehrere Polizeibeamten in der Wohnung des Lehrers, die alles auf den Kopf stellen wollten. Dies konnte nur dadurch abgewendet werden, indem dieser entsprechende Unterlagen selbst heraussuchte und aushändigte.
Die Beschwerde zum Landgericht blieb erfolglos. Eine Verfassungsbeschwerde war jedoch erstaunlicherweise erfolgreich. Während das Bundesverfassungsgericht sich bei vielen wichtigen Themen seiner Verantwortung entzieht und entsprechende professionelle Eingaben gar nicht erst zur Entscheidung annimmt, kam es hier zu einer Aufhebung der genannten gerichtlichen Entscheidungen. Zutreffend wurde festgestellt, dass das durchgeführte Procedere eine schwerwiegende Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) darstellt.
Zwar sei es nicht generell ausgeschlossen, eine Durchsuchung nach § 102 StPO auch zur Ermittlung der etwaigen Tagessatzhöhe für eine Geldstrafe vorzunehmen, allerdings ist jedenfalls die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Vorliegend kamen zunächst andere Mittel in Betracht:
- schlichte Nachfrage beim Beschuldigten oder Verteidiger
- Anfrage bei der Besoldungsstelle des Beamten
- Vornahme einer richterlichen Schätzung der Einkommensverhältnisse
- Anfrage bei der BaFin
- Einholung von Bankauskünften beim Kreditinstitut des Beschuldigten
Da all dies unterblieben ist, konnte die Staatsanwaltschaft nicht einfach den schwerwiegenden Eingriff einer Wohnungsdurchsuchung wählen. Dies gilt vorliegend insbesondere im Hinblick auf die geringfügige Straftat (Beleidigung), die dem Beschuldigten vorgeworfen wurde.
Für die Praxis ist die Entscheidung von großer Bedeutung, da oben dargestellte Drohungen von Gerichten keine Seltenheit sind. Diese können nun hierauf verwiesen werden, denn in aller Regel stehen andere Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die einen weniger invasiven Eingriff als eine Durchsuchung darstellen. Allerdings ist dabei auch immer auf die Schwere der Tatvorwürfe zu achten, da das BVerfG derartige Durchsuchungen nicht völlig ausschließen wollte.