Wie lesbar muss eine Unterschrift sein? (Urteil, Strafbefehl, Revisionsbegründung etc.) – Entscheidungsbesprechung BayObLG vom 19.11.2024

21.02.2025  |  

Autor: Florian Gempe

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat sich mit dem Unterschriftserfordernis unter Strafbefehl und Urteil befasst (BayObLG, Beschluss vom 19.11.2024, Az.: 204 StRR 576/24).

Zunächst geht es grundsätzlich um die Frage, welche Entscheidungen eine „richtige“ Unterschrift benötigen und welche mit einem Kürzel auskommen. Im Grunde sei nur bei einem Urteil eine vollständige Unterschrift notwendig. Bei Verfügungen, Beschlüssen und auch Strafbefehlen genüge ein „Hand- oder Faksimilezeichen, falls sich daraus die Person des Richters zweifelsfrei ergibt“ (BayObLG am angegebenen Ort, mit weiteren Nachweisen). In der Praxis wird manchmal ein Stempel mit dem Nachnamen des Richters hinzugefügt. Ansonsten ist das Kürzel natürlich im Gerichtsbetrieb den Mitarbeiterinnen bekannt, aber wohl auch nur dort.

Bei einem Urteil sei es anders, hier sei die volle Unterschrift erforderlich, da sich hier eine erhöhte Tragweite ergäbe. Bereits diese Unterscheidung könnte man hinterfragen, da ein Strafbefehl dieselben Rechtsfolgen enthalten kann wie ein Urteil und auch ein Beschluss eine durchaus umfassende Tragweite haben kann (Beispiele: Durchsuchungsbeschluss, Haftbefehl, Widerruf der Bewährung).

Interessant wird es bei den Ausführungen des Gerichts zu den Anforderungen an eine Unterschrift. Entscheidend sei, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen seien und für jemanden, der den Namen kenne, dieser aus dem Schriftzug ableitbar sei. Starke Abnutzungen und die Unleserlichkeit der weiteren Buchstaben spielten keine Rolle.

Im Ergebnis „rettete“ das Gericht das Urteil des vorinstanzlichen Richters, weil in dem Gekrakel ein „C“ als Anfangsbuchstabe erkennbar sei und zudem weitere Buchstaben („i“ und „g“) zumindest erahnt werden könnten. Schließlich sei ja die Unterschrift schon tausendmal getätigt worden und gerichtsbekannt.

Mir stellt sich hier die Frage, ob nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. Im Jahr 2020 hatte das OLG Hamburg bei der Unterschrift eines Verteidigers noch anders entschieden (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.11.2020, Az.: 2 Rev 55/20 – siehe hierzu mein Artikel vom 01.02.2021). Zwar wurden prinzipiell dieselben Grundsätze aufgestellt, die wirksame Unterschrift des Verteidigers unter einer Revisionsbegründung allerdings mit dem Argument verneint, das Gebilde enthalte lediglich ein handschriftliches Zeichen „in Gestalt zweier verbundener und zum Teil verschlungener Haken“. Ob dies bei einem Richter ausgereicht hätte? Das hier verwendete Argument, die Urheberschaft sei auch anhand anderer Punkte erkennbar (hier der richterliche Namensstempel), wäre beim Verteidiger nicht anders ausgefallen, denn dieser verwendete natürlich den Kanzleibriefkopf. Denkbar ist, dass hier nur ein Grund gesucht wurde, eine Revision wieder einmal aus (vorgeschobenen) formalen Gründen zu verwerfen.

Nicht zu verwechseln ist dieses Thema mit der Frage, ob ein Dokument überhaupt vom zuständigen Entscheider gezeichnet wurde. Viele Menschen stellen sich die Frage nach der Unterschrift, wenn sie ein gerichtliches Dokument erhalten, in welchem der Name der Richterin lediglich abgedruckt ist, aber eine Unterschrift nicht zu sehen ist. Dies ist damit zu erklären, dass die Richterin eine Entscheidung in der Regel nur ein einziges Mal unterschreibt (z.B. das Urteil) und diese dann in die Akte gelegt wird. Die Beteiligten erhalten nur Ausfertigungen, beglaubigte Abschriften oder einfache Abschriften, je nach Fall. Die Ausfertigungen und beglaubigten Abschriften enthalten dann jeweils eine Unterschrift des Urkundsbeamten, welcher beglaubigt, dass die Entscheidung tatsächlich von der Richterin so unterzeichnet wurde.

 

Florian Gempe
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht

Florian Gempe

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