Außerordentliche Kündigung wegen Beleidigung des Chefs im WhatsApp-Gruppenchat
Probleme mit dem Vorgesetzten scheinen bei manchen Menschen früher oder später unausweichlich zu kommen. Egal, ob als Stilmittel in Serien und Filmen, Spielen oder in der Realität, es ist schon klischeehaft, wie oft dies vorkommt. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, wie man damit umgeht. Die meisten Menschen haben kein Problem mit ihren Vorgesetzten, andere hingegen stehen regelrecht mit ihnen auf dem Kriegsfuß und würden ihnen gern mal die Meinung sagen. Doch die wenigsten trauen sich dies persönlich und tun ihre Meinung bestenfalls auf WhatsApp kund. Dass dabei auch Beleidigungen fallen können, stellt keine Seltenheit dar. Doch stellt jede Aussage gegenüber dem Chef, die dieser als Beleidung auffassen könnte, einen Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung dar? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Arbeitsgericht Erfurt in dem rechtskräftigen Urteil vom 20.07.2022, Az.: 2 Ca 44/22.
In diesem Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Der Arbeitnehmer war bei dem Arbeitgeber seit mehr als 2 Jahren beschäftigt, ihm wurde durch Schreiben außerordentlich gekündigt. Hintergrund waren seine beleidigenden Sprachnach-richten in der WhatsApp-Gruppe der Arbeitgeberin. Dieser gehörten 13 Mitarbeiter und der Geschäftsführer selbst an. In dieser Gruppe wurde über Dienstpläne informiert. Seine Aussagen waren uter anderem: „Du bist kein Chef, du bist ein L….“. Deine Lieblinge….Sie sind Arschkriecher hoch 3 und kriegen nicht ihre Fressen auf“ und „Du als sogenannter Chef.“ Offenkundig nahm er diese Sprachnachrichten alkoholisiert nachts zwischen 01:30 und 02:00 Uhr auf. Er klagte u.a. darauf, dass die Kündigung unwirksam war.
Das Arbeitsgericht Erfurt nahm dies als Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 I BGB an. Die Kündigung war damit wirksam, auch ohne vorherige Abmahnung. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Mitarbeiter stellen an sich einen gerechtfertigten Grund für eine Kündigung dar, wenn sie nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten.
Der Arbeitnehmer kann sich dabei nicht auf sein Meinungsfreiheitsrecht aus Art. 5 I GG berufen. Das Gericht führt dazu aus: „Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet. Die Meinungsfreiheit wird durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer Kritik am Arbeitgeber, ihrem Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In groben Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position des Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (BAG vom 10.12.2099 – 2 AZR 534/08).“
Die Aussagen „Du bist kein Chef, du bist ein L…“ und „Du als sogenannter Chef.“ stellen laut Gericht eine derartige Rechtsverletzung dar, die geeignet ist, das Ansehen des Geschäftsführers der Beklagten bei den anderen Mitarbeitern herabzusetzen.
Außerdem beleidigte der Kläger durch die Sprachnachricht „Deine Lieblinge …..Es sind Arschkriecher hoch 3 und kriegen nicht ihre Fressen auf“ sowie mit weiteren Sprachnachrichten auch die Mitarbeiter.
Die Alkoholisierung des Klägers konnte nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, da zwar seine Stimme verwaschen klang, aber für das Gericht nicht erkennbar war, dass er nicht wusste, was er sagt.
Eine vorherige Abmahnung war nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entbehrlich, da eine Verhaltensänderung des Klägers nach einer Abmahnung nicht zu erwarten war. Der Kläger konnte erwarten, dass die Beklagte ihn, nach derartigen Beleidigungen, ohne vorherige Abmahnung kündigt und nicht davon ausgehen, dass er zunächst abgemahnt wird.
Fazit:
Auch das Gericht hatte die Einzelumstände wie den alkoholisierten Zustand des Arbeitnehmers, die Uhrzeit der Sprachnachrichten, etc. erkannt. Zuvor gab es keine derartigen Entgleisungen des Arbeitnehmers. Es stellte sich dann schon die Frage, weshalb dem Mitarbeiter nicht noch einmal eine Chance gegeben werden und mit einer Abmahnung reagiert werden hätte können – zumal sich Arbeitnehmer und Geschäftsführer persönlich kannten (oder gerade deswegen …).
Dieser Sachverhalt, der dem Urteil des Arbeitsgerichts zugrunde lag, sollte nur exemplarisch sein, um die Problematik aufzuzeigen.
WhatsApp-Gruppen in Firmen werden zunehmend genutzt, teilweise werden kurze WhatsApps geschrieben, teilweise werden Sprachnachrichten geschickt. Der Vorteil liegt auf der Hand, gerade bei erforderlicher Team- oder Schichtarbeit ist es extrem gut, wenn man sich kurzfristig austauschen kann. Die Arbeitnehmer sollten jedoch mit ihren Beiträgen vorsichtig sein, zumal wenn der Chef oder der Vorgesetzte mit in der Gruppe ist. Leider wird nach Auffassung des Unterzeichners das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG von den Arbeitsgerichten nicht so hoch angesiedelt wie dies der Fall sein sollte.
Zumindest sollte stets gewürdigt werden, wie die Kommunikation grundsätzlich zwischen den WhatsApp Gruppenmitgliedern erfolgt und wann die Schwelle zur Beleidigung überschritten wird. Dies kann durchaus unterschiedlich der Fall sein. Jedenfalls muss immer der Einzelfall betrachtet werden.