Forderungsbeitreibung mit Schrotflinte ist kein Mord (BGH, Urteil vom 15.12.2021, Az.: 6 StR 312/21)

29.03.2022  |  

Autor: Florian Gempe

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in welchem der Gläubiger einer Geldforderung den offenen Betrag mit einer Schrotflinte beim Schuldner eintreiben wollte. Das Vorhaben missglückte. Der Schuldner ließ sich trotz Warnschuss nicht beeindrucken und versuchte, den Gläubiger zu entwaffnen. Dieser hatte Angst vor einer gewalttätigen Auseinandersetzung und schoss auf den Schuldner, welcher daran verstarb.

Ein Totschlag nach § 212 StGB ist ebenso unproblematisch gegeben wie der illegale Besitz der Schusswaffe nach WaffG. So wurde der Angeklagte vom Landgericht verurteilt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage hatten nur insoweit Erfolg, dass der BGH noch die Straftat der versuchten Nötigung (§§ 240, 22, 23 StGB) hinzufügte. Hierbei kommt es auf die Rechtswidrigkeit der Nötigungshandlung an. Während das Landgericht offenbar davon ausging, dass eine berechtigte Forderung dies ausschließe, bejahte der BGH richtigerweise die Rechtswidrigkeit aufgrund der Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation.

Ein Mord nach § 211 StGB sei dagegen nicht gegeben, bestätigte der BGH. Es fehle an Mordmerkmalen; insbesondere Heimtücke, Habgier und niedrige Beweggründe seien nicht gegeben, da die Tötung im Rahmen der Durchsetzung einer berechtigten Geldforderung erfolgte. Im Grundsatz erscheint das richtig, Habgier setzt jedenfalls eine ungerechtfertigte Bereicherung voraus. Sicherlich kann man sich aber über das Merkmal der niedrigen Beweggründe streiten, denn der Gläubiger verfolgte sein Ziel, welches in der Selbstjustiz und der Umgehung des staatlichen Gewaltenmonopols bestand, um jeden Preis und ging dafür über Leichen. Der BGH sieht dies offenbar anders.

Eine schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2, 251 StGB) ist ebenfalls ausgeschlossen, da die Durchsetzung eines fälligen Anspruchs keine rechtswidrige Bereicherung darstellt. Insofern ist dem BGH vollumfänglich zuzustimmen.

(BGH, Urteil vom 15.12.2021, Az.: 6 StR 312/21)

Florian Gempe

Fachanwalt für Strafrecht

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