Aufsehen erregte der Spruch „Alte, weiße Männer stinken“, den eine Teilnehmerin einer feministischen Veranstaltung auf eine Pappwand schrieb. Ein älterer Rechtsanwalt und ehemaliger Bundesrichter erstattete Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens ab, Beschwerde und Klageerzwingungsverfahren blieben erfolglos (OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.11.2024 – Ws 1076/24). Es fehle insbesondere an einer Eignung zur Friedensgefährdung. Dem kann sicherlich beigepflichtet werden. Nicht jede unangemessene Äußerung ist gleich strafbar. Außerdem stellt sich hier schon die Frage, ob „alte, weiße Männer“ überhaupt eine taugliche „Bevölkerungsgruppe“ im Sinne des § 130 StGB sind und ob die sonstigen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Mit Blick auf andere Konstellationen ist allerdings auffällig, dass Äußerungen gegen „Weiße“ / „Deutsche“ fast nie als strafwürdig angesehen werden. Wie wäre die Prüfung der Staatsanwaltschaft wohl ausgefallen, wenn es um „schwarze, junge Männer“ gegangen wäre?
Dementsprechend gingen die Staatsanwaltschaften natürlich gegen Äußerungen vor, die politisch nicht gewünscht waren. Insbesondere in der Corona-Zeit durften viele Bürger spüren, wie hart die Staatsmacht plötzlich durchgreifen konnte, wenn jemand zu laut oder zu offensiv eine unbequeme Äußerung tätigte. Als Kritik gegen den Impfzwang war es eine häufig gesehene Karikatur, dass ein Davidstern mit der Inschrift „ungeimpft“ oder „nicht geimpft“ abgebildet wurde, teilweise mit diversen Umrandungen. Die Staatsanwaltschaften sahen dies fast immer als Volksverhetzung, entweder weil plötzlich alle Juristen derselben Meinung waren oder weil entsprechende Anweisungen von oben kamen. Die (Ober-) Gerichte urteilten unterschiedlich hierüber. Die einen sahen eine Verharmlosung des Holocaust durch den hergestellten Vergleich und bestätigten eine Verurteilung (so etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 17.04.2024 – 1 ORs 23/23, differenzierend BayObLG, Beschluss vom 02.07.2024 – 206 StRR 199/24), die anderen gingen von einer Überspitzung der aktuellen Situation aus oder verneinten den Tatbestand aus anderen Gründen und bestätigten die Freisprüche (z.B. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 21.11.2023 – 2 ORs 38/23; OLG Braunschweig, Urteil vom 07.09.2023 – 1 ORs 10/23; OLG Oldenburg, Urteil vom 16.10.2023 – 1 ORs 46/23). Dass die Autoren dieser Äußerungen mit ihren Befürchtungen möglicherweise Recht haben könnten, war leider in keiner Entscheidung zu finden.
Interessant ist auch die Entwicklung bei den „Sylt-Fällen“, bei denen die Phrase „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ auf eine bekannte Melodie gelegt wurde. In den mir bekannten Fällen haben sogar die Staatsanwaltschaften eingesehen, dass damit kein Blumentopf zu gewinnen ist, und die Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil keine Straftat vorlag.
In vielen anderen Konstellationen wird wegen Lappalien die Kavallerie auf den Plan gerufen und es finden Hausdurchsuchungen statt, die viele Ermittlungsrichter scheinbar blind unterschreiben. Oftmals kann durch eine gezielte Verteidigung dann allerdings eine Verurteilung verhindert werden. Die Erfahrung zeigt, dass man hier nicht klein beigeben, sondern sich einen qualifizierten Strafverteidiger suchen sollte.
Florian Gempe
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht