Strafrecht

Unterschrift des Verteidigers muss (ansatzweise) lesbar sein

Das Oberlandesgericht Hamburg hatte über eine Revision zu entscheiden, deren Begründung nur unzureichend vom Verteidiger unterschrieben gewesen sein soll. Auf dem Schriftstück, welches den Briefkopf des entsprechenden Rechtsanwalts enthielt, sei am Ende über der maschinenschriftlichen Wiedergabe des Wortes „Rechtsanwalt“ lediglich ein handschriftliches Zeichen „in Gestalt zweier verbundener und zum Teil verschlungener Haken“ ersichtlich gewesen. Dies genüge nicht den Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO. Eine Revisionsbegründung erfordere besondere Verantwortung des Rechtsanwalts für den Schriftsatz. Daher müsse ein Leser, der den Namen des Autors kennt, diesen zumindest anhand des Schriftzuges erahnen können. Lesbar müsse die Unterschrift nicht sein. Ein Hauch von 1-2 Buchstaben genüge aber nicht. Es sei ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dem Familiennamen des Unterzeichners erforderlich (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.11.2020, Az.: 2 Rev 55/20).

Die Entscheidung kann durchaus hinterfragt werden. Zum einen gilt es anscheinend unter Juristen fast wie bei Ärzten als „chic“ oder künstlerisch, ihre Unterschrift möglichst unleserlich erscheinen zu lassen, zum anderen unterschreiben auch die Richter ihre Urteile gemäß § 275 Abs. 2 S. 1 StPO oftmals auch nur mit einer krakeligen Symbolik, die allenfalls dann den Unterzeichner erkennen lässt, wenn man dieses Bild bereits kennt. Warum die Revisionsbegründung nun solch besonderen Anforderungen unterliegen sollte, dass die Symbole des Verteidigers, welche für alle vorherigen Schriftsätze in dem dortigen Strafverfahren ausreichten, plötzlich nicht mehr ausreichen, lässt sich wohl schwerlich damit begründen, dass  § 345 Abs. 2 StPO den Wortlaut einer „unterzeichneten Schrift“ enthält. Stellt es nicht evtl. eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Gerichts oder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar, wenn man einen Verteidiger sämtliche missratene Unterschriften in einem Strafverfahren „durchgehen“ lässt und erst bei der Revisionsbegründung behauptet, es liege kein formgültiger Schriftsatz vor? Wobei man dem Gericht zugestehen muss, dass – zumindest laut Beschlussbegründung – der Rechtsanwalt in demselben Verfahren offenbar verschiedene Unterschriften verwendet hatte.

Jedenfalls sollten alle Verteidiger hier aufpassen und gar nicht erst eine derartige Angriffsfläche bieten.

Florian Gempe
Rechtsanwalt
Strafverteidiger