• Aktuell

    Bundesarbeitsgericht: Corona ist auch ohne Symptome eine Krankheit nach EFZG, auf Impfung kommt es nicht an

    Dem Bundesarbeitsgericht lag folgender Fall zur Entscheidung vor:

    Ein Produktionsmitarbeiter in der kunststoffverarbeitenden Industrie infizierte sich im Dezember 2021 mit SARS-CoV-2 und litt zunächst wenige Tage an Symptomen wie Husten und Schnupfen, die dann abgeklungen sind. Für 5 Tage wurde er vom Arzt krankgeschrieben. 2 Wochen dauerte jedoch seine behördlich angeordnete Quarantäne, weshalb er nicht an seinem Arbeitsplatz erscheinen konnte. Der Arbeitgeber weigerte sich zur Fortzahlung des Arbeitslohnes über die 5 Tage hinaus.

    Das Bundesarbeitsgericht bestätigte, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 auch ohne Vorliegen von Symptomen ein regelwidriger Körperzustand ist, der eine Krankheit im Sinne von § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) darstellt. Diese Erkrankung ist kausal für die Quarantäneanordnung und erfüllt damit die Voraussetzungen für den Entgeltfortzahlungsanspruch. Der Arbeitgeber muss zahlen.

    Das Spannende an der Entscheidung: Obwohl die Vorinstanz noch zugunsten des Arbeitgebers unterstellte, dass die Verweigerung der Corona-Impfung unvernünftig sei und ein Verschulden des Produktionsmitarbeiters an seiner Infektion begründen könne (dies wurde vom Bundesarbeitsgericht – jedenfalls nach bislang nur vorliegender Pressemitteilung – offenbar nicht überprüft), aber das BAG bestätigte die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts Hamm, dass jedenfalls nicht nachweisbar ist, dass das Unterlassen der Impfung die Infektion begünstigt hätte. Umgekehrt formuliert: Laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts hätte eine Impfung auch keinen wirksamen Schutz vor einer Infektion gebracht. Daher kann dem Arbeitnehmer kein Verschulden an seiner Corona-Infektion angelastet werden, egal ob geimpft oder ungeimpft, so das BAG.

    Darüber hinaus stellte das BAG fest, dass die fehlende Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitnehmer im vorliegenden Fall unschädlich war, da die Vorlage der behördlichen Quarantäneanordnung einen anderen geeigneten Nachweis nach §§ 5, 7 EFZG darstellt.

    Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie einen Schritt weg von der Diskriminierung von „Ungeimpften“ darstellt. Es wäre jedoch erfreulich gewesen, wenn das BAG zugleich mit dem Mythos des unvernünftigen Verhaltens wegen der sog. Verweigerung einer Corona-Impfung aufgeräumt hätte. Wenn man sich die Risiken und Nebenwirkungen sowie die Fallzahlen der Impfgeschädigten anschaut, war es alles andere als unvernünftig, sich gegen diese Gentherapie zu entscheiden.

    Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2024, Az.: 5 AZR 234/23

  • Aktuell,  Arbeitsrecht

    Unwirksame Versetzung in ein anderes Team

    Unwirksame Versetzung in ein anderes Team 

    LAG Thüringen vom 09.05.2023, Az. 1 Ta BV 5/22 

    In einem Produktionsbetrieb setzten die Teamleiter einer Abteilung die Arbeitnehmer von einem Team zu anderen Teams um, wie dies erforderlich und betrieblich notwendig war. Die Arbeitsaufgaben blieben gleich. Allerdings änderte sich das „Arbeitsregime“. Der Betriebsrat monierte dieses Vorgehen und nahm Versetzungen der betroffenen Arbeitskollegen an. Da es zu keiner Einigung mit dem Arbeitgeber kam, bedurfte es einer gerichtlichen Klärung. 

    Das Thüringer Landesarbeitsgericht bejahte eine Versetzung bei der Zuweisung eines Beschäftigten zu einem Team mit einem anderen Arbeitsbereich und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Dabei sah es die Änderung des Arbeitsbereichs sehr weit. So wenn sich der Inhalt der Arbeitsaufgaben, die Position des Beschäftigten oder dessen Arbeitsplatz ändert. Die Änderung könne auch darin bestehen, dass der Beschäftigte mit neuen Kollegen zusammenarbeite oder er seine Aufgaben innerhalb einer anderen Einheit erfüllen müsse. 

    Bei gleichbleibender Tätigkeit eine Versetzung anzunehmen, gelte nur dann, wenn für den Mitarbeiter „ein in seinem Arbeitsalltag spürbares anderes Arbeitsregime gelte“. Dabei sei vor allem relevant, dass der Teamwechsel mit einem neuen Teamleiter einhergehe, der auch für disziplinarische Arbeitsanweisungen und Urlaubsbewilligung etc. zuständig sei. Zudem könne es sein, dass der Beschäftigte „andere“ Tätigkeiten übernehmen müsse. 

    Das LAG hatte die Revision nicht zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelte basierend auf den Umständen des streitgegenständlichen Falles. 

    Hinweise: 

    Auch wenn es sich vorliegend um eine kollektivrechtliche Entscheidung handelte, können die Grundsätze durchaus auch auf die individualarbeitsrechtliche Versetzung übertragen werden. Mitunter werden Versetzungen eingesetzt, um unliebsame Mitarbeiter „loszuwerden“ oder „kalt zu stellen“. Teilweise über Jahre hinweg eingebürgerte Strukturen und Grüppchenbildungen mit Arbeitskollegen sollen oder müssen mitunter aufgelöst werden.  

    Hat der Arbeitnehmer dann den Betriebsrat auf seiner Seite, ist dies von großem Vorteil, wenn er gegen die Versetzung vorgehen will. Auch kommt es vor, dass die Versetzung im rechtlichen Sinne durch den Arbeitgeber nicht als Versetzung deklariert wird, sondern als Umsetzung in ein anderes Team oder Zuweisung eines neuen Teams, oder sonstige unbefangene Formulierungen, so dass man auf den ersten Blick unter Umständen gar nicht auf eine Versetzung kommen könnte.   

    Wenn der Betriebsrat nicht zustimmt, ist die Versetzung unwirksam, egal ob der Mitarbeiter der Versetzung zugestimmt oder er sich damit mehr oder weniger abgefunden hat. Natürlich kann die Zustimmung durch ein gerichtliches Verfahren ersetzt werden. 

    Die Entscheidung könnte große Auswirkungen haben, je nachdem wie sie in der Praxis beachtet wird. Man denke nur an Abteilungen in Krankenhäusern, wo es gang und gäbe ist, die Krankenschwestern oder medizinisch-technischen Angestellten von einem Bereich in einem anderen Bereich aufgrund Personalmangels einzusetzen. Häufig dürfte hierbei der Betriebsrat nicht beteiligt worden sein, da man möglicherweise gar nicht von einer Versetzung ausgeht, es gar keine andere personelle Möglichkeit gibt oder man schlichtweg keine Zeit hat, die Zustimmung einzuholen.  

    Ob dann letztlich eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG vorliegt, muss stets im Einzelnen geprüft werden.   

  • Aktuell

    Unterschiedliche Entscheidungen des VGH München zu 2G – auch OVG des Saarlandes hebt 2G auf

    Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in den letzten Wochen sehr unterschiedliche Entscheidungen zu den 2G-Regelungen in Bayern getroffen. Eine kurze Chronologie:

    Beschluss vom 8. Dezember 2021, Az. 20 NE 21.2821
    Der Antrag auf einstweilige Anordnung im Normenkontrollverfahren, der sich gegen zahlreiche 2G-Regelungen insbesondere in der Beherbergung und der Gastronomie wurde als unbegründet zurückgewiesen, da die 2G-Regelungen (Zutritt nur für Geimpfte und Genesene) voraussichtlich rechtmäßig seien.  Die Regelungen seien verhältnismäßig.

    Beschluss vom 21. Dezember 2021, Az. 20 NE 21.2946
    Der Eilantrag gegen 2G-Plus-Regelungen (Zutritt nur für Geimpfte und Genesene mit zusätzlichem Testnachweis) wurde als unbegründet zurückgewiesen. Zwar sei die Rechtmäßigkeit dieser Regelungen im Eilverfahren noch nicht abschätzbar, jedoch ergebe die Folgenabwägung, dass eine Aufhebung zu größeren Nachteilen der Bevölkerung führen würde, als eine Zurückweisung des Antrages Nachteile für den Antragsteller bedeute.

    Beschluss vom 29. Dezember 2021, Az. 20 NE 21.3037
    Ein Bekleidungsgeschäft richtete einen Antrag gegen die 2G-Regelungen, nach welcher nur Geschäfte des täglichen Lebensbedarfs frei zugänglich sind. Da die Regelungen, die das Gericht zwar generell für verhältnismäßig und rechtmäßig halte, keine Definition des täglichen Lebensbedarfs enthalte und Bekleidungsgeschäfte nicht aufgezählt sind, erklärte das Gericht, dass derartige Geschäfte keinen Zutrittsbeschränkungen unterliegen. Der Bedarf an Bekleidung könne täglich auftreten. Gut für die Antragstellerin. Dummerweise wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen, damit die Antragstellerin sämtliche Kosten tragen muss. Ähnlich erging es einem Spielzeughändler.

    Beschluss vom 19. Januar 2022, Az. 20 NE 21.3119
    Ein neuerer Antrag gegen dieselben Regelungen war plötzlich erfolgreich. Das Gericht nahm die Unklarheit über die Geschäfte des täglichen Lebensbedarfs zum Anlass, die 2G-Regelungen in Bayern für den Einzelhandel aufzuheben. Natürlich stellt sich die Frage, was sich nun geändert hatte, außer vielleicht die Argumentation der Antragsteller. Das Gericht gehe natürlich weiterhin davon aus, dass die Regelungen weiterhin (wie bereits entschieden) verhältnismäßig und verfassungskonform seien. Aber die Unklarheit über den täglichen Lebensbedarf sei natürlich entscheidend.

    Letztere Entscheidung ist im Ergebnis zu begrüßen, wenngleich die Argumentation zahlreiche Argumente vermissen lässt. Beispielsweise: Was ist mit der Unwirksamkeit der Impfung im Hinblick auf die Infektionen und die Weitergabe des Virus (wie vom RKI bestätigt)? Was ist mit den Impfdurchbrüchen unter der Omikron-Variante, die höher sind als die Impfquote? Was ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes)? Was ist mit den zahlreichen gefährlichen Nebenwirkungen der Impfstoffe (laut PEI) – ist der erzeugte Impfdruck zulässig oder sogar ein probates Mittel?

    Es zeigt sich aber erneut, dass es sich lohnt, Normenkontrollanträge in den Bundesländern durchzuführen. Wenn schon einige Eilanträge erfolgreich sind (siehe auch OVG Lüneburg und VGH Mannheim), werden noch mehr Hauptsacheverfahren erfolgreich sein. Ich führe derzeit auch in Thüringen Normenkontrollverfahren gegen 2G-Regelungen, Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und sonstige Diskriminierungen von Ungeimpften. Der Ausgang bleibt abzuwarten.

    Florian Gempe
    Rechtsanwalt
    Strafverteidiger

    Aktualisierung: Ähnlich wie der VGH München in seiner letzten Entscheidung sieht es nun auch das OVG Saarlouis (Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 21.01.2022, Az.: 2 B 295/21) und hat die 2G-Regelungen im Einzelhandel aufgehoben.

  • Aktuell

    Ausgangssperre rechtswidrig – Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (Aktenzeichen: 20 N 20.767)

    „Es wird festgestellt, dass § 4 Abs. 2 und 3 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung vom 27. März 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 158), zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung zur Änderung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 31. März 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 162) unwirksam war“. (Aktenzeichen: 20 N 20.767)

    Damit schließt sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, der im Januar noch Eilanträge gegen die Ausganssperre zurückgewiesen hatte, nun der Auffassung des OVG Lüneburg an (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht vom 06.04.2021, Az.: 13 ME 166/21).

    Die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen seien zum einen nicht erforderlich, da andere geeignete Mittel der Pandemiebekämpfung zur Verfügung stünden, etwa eine weitere Beschränkung der zulässigen Kontaktpersonen. Zum anderen sei die Ausgangssperre nicht angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne, da der allenfalls geringe Effekt, der von ihr ausgeht, in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Beschränkungen der Freiheitsrechte der Bürger steht.

    Die Entscheidung ist zu begrüßen. Es stellt sich jedoch die Frage, mit welcher Begründung das Bundesverfassungsgericht die mit Bundesgesetz eingeführte Ausgangssperre („Bundesnotbremse“) rechtfertigen will. Dazu sind wahrscheinlich parteipolitisch interessierte Richter und Geschäftsessen mit der Bundesregierung erforderlich. Ansonsten dürften im Bundesgebiet dieselben Tatsachen vorherrschen wie in Bayern und in Niedersachsen. Nur die rechtlichen Auffassungen könnten abweichen.

    Florian Gempe
    Rechtsanwalt
    Strafverteidiger

    Der Volltext der Entscheidung lag bei Veröffentlichung des Artikels noch nicht vor. Quelle der Informationen: br.de und bild.de

  • Aktuell

    Bundesverwaltungsgericht: Für Kinderschutzverfahren (§ 1666 BGB) sind nicht die Verwaltungsgerichte, sondern ausschließlich die Familiengerichte zuständig

    Nun hat das Bundesverwaltungsgericht die Zuständigkeitsfrage geklärt. Für Kinderschutzverfahren nach § 1666, die sich u.a. mit der Maskenpflicht in Schulen befassen, sind nicht die Verwaltungsgerichte zuständig, wie oftmals behauptet wurde, sondern nach wie vor ausschließlich die Familiengerichte.

    BVerwG 6 AV 1.21 – Beschluss vom 16. Juni 2021
    BVerwG 6 AV 2.21 – Beschluss vom 16. Juni 2021
    Pressemitteilung Nr. 44/2021 vom 25.06.2021

    Dies bestätigt die Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 28.04.2021, Az.: 20 WF 70/21). Das OLG Jena (Beschluss vom 14.05.2021, Az.: 1 UF 136/21) lag somit falsch, denn es hatte die vielbesagte Entscheidung des Amtsgerichts Weimar (Beschluss vom 08.04.2021, Az.: 9 F 148/21) aufgehoben, weil angeblich der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei.

    Auffallend ist, dass das Bundesverwaltungsgericht die erfolgten Verweisungen an die Verwaltungsgerichtsbarkeit als qualifizierten Verfahrensverstoß ,“nicht mehr nachvollziehbar“ und „offensichtlich unhaltbar“ bezeichnet. Das bezieht sich auf das prozessuale Recht.

    Allerdings sagt das Bundesverwaltungsgericht auf der anderen Seite (obiter dictum), dass „familiengerichtliche Anordnungen gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind“. Das bezieht sich auf das materielle Recht. Diese umstrittene Rechtsfrage mag hier unpassend erscheinen, da die Verwaltungsgerichtsbarkeit ja nach eigener Entscheidung gerade nicht hierüber zu urteilen hat, wann die Voraussetzungen des § 1666 BGB vorliegen und wann nicht.

    Die Entscheidung trägt in jedem Fall zur Klarheit bei und ist eine deutliche Antwort auf diejenigen, die bei abweichenden Rechtsansichten gleich „Rechtsbeugung“ behaupten und Hausdurchsuchungen anordnen.

    Florian Gempe
    Rechtsanwalt
    Strafverteidiger