• Erbrecht

    Enterbt von den Eltern: Informations- und Auskunftsrecht eines enterbten Kindes

    Werden Kinder von den Eltern enterbt, so haben sie einen Pflichtteilsanspruch, der sich gegen denjenigen richtet, der geerbt hat – regelmäßig die bevorzugten Geschwister oder der verwitwete Elternteil. Aber Pflichtteil hin oder her: Um den Pflichtteil überhaupt tatsächlich auch geltend machen zu können, muss das enterbte Kind wissen, wie werthaltig der Nachlass ist, also wieviel Sparvermögen sich auf Bankkonten, Sparbüchern oder als Bargeld im Nachlass befindet. Überdies muss das enterbte Kind auch in Erfahrung bringen, welche Immobilien – also Grundstücke und Eigentumswohnungen – der verstorbene Elternteil zu Lebzeiten in seinem Eigentum hatte. Hierfür schuf der Gesetzgeber mit § 2314 BGB ein Gesetz, das einen sehr umfassenden Auskunftsanspruch denjenigen Kindern einräumt, welche von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind und nun den Pflichtteil einfordern wollen.

    Dieser Auskunftsanspruch ist sehr umfassend und bürdet den Erben die Pflicht auf, ein sog. Nachlassverzeichnis zu erstellen. In diesem Nachlassverzeichnis muss der Erbe alle Gegenstände, also insbesondere Geldbestände, Kunstwerke, Edelmetalle und Immobilien auflisten. Aber nicht nur das: auch in der Vergangenheit von dem verstorbenen Elternteil gemachte Schenkungen müssen dem enterbten Kind mitgeteilt werden, denn Schenkungen, die der verstorbene Elternteil in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod gemacht hat, können unter Umständen noch den Pflichtteil erhöhen. Der Grund: Eltern sollen sich nicht vorsätzlich vor ihrem Ableben „arm“ schenken können, um so schon vorweg Pflichtteilsansprüche ungeliebter Kinder zu reduzieren oder gar ganz auszuschalten.

    Besteht kein Vertrauen in das von dem Erben verfasste Nachlassverzeichnis, so kann auf Kosten des Nachlasses von dem pflichtteilsberechtigten Kind auch die Anfertigung eines sog. notariellen Nachlassverzeichnisses angefordert werden.

    Der Gesetzgeber beabsichtigte, dass jedem Kind eine Mindestteilhabe am Nachlass der Eltern zusteht, dem sich die Eltern nicht entziehen können sollen – gemäß dem altdeutschen Sprichwort aus dem Erbrecht „Das Gut fließt wie das Blut“, was sich sinngemäß in den heutigen Sprachgebrauch als „Hashtag: Für den Pflichtteil muss der Erbe bluten“ übersetzen ließe. Der Bezifferung des Pflichtteilsanspruches trägt der Auskunftsanspruch dementsprechend Rechnung.

    Laurens Häfner
    Rechtsanwalt

  • Erbrecht

    Mehr vom Erbe für das Kind, das den Angehörigen zuvor gepflegt hat?

    Eine interessante Frage, die sich insbesondere die Kinder pflegebedürftiger Eltern stellen, ist: Erhöht sich der mir zustehende Erbteil, nachdem ich jahrelang – manchmal sogar über Jahrzehnte – die eigenen Eltern gepflegt habe? Diese Frage stellt sich oftmals erst mit dem Ableben des letzten Elternteils, der in der eigenen Wohnung oder gar in der Wohnung des Kindes von diesem gepflegt wurde und nach dessen Ableben dann alle erbberechtigten Abkömmlinge zusammenkommen und das Erbe auseinandersetzen wollen. Spätestens dann stellt sich bei demjenigen Kind ein –berechtigtes –  Störgefühl ein, das ohne Entgelt jahrelang für die Pflege der eigenen Eltern aufopfernd eingetreten ist und dann bei der Erbauseinandersetzung „nur“ denselben Anteil am Erbe erhalten soll wie auch die Geschwister, die sich nicht um die Eltern gekümmert haben.

    Der Gesetzgeber wollte diese sich aufdrängende Ungerechtigkeit ebenfalls nicht hinnehmen und schuf infolgedessen § 2057a BGB. Wer also ein Elternteil „während längerer Zeit gepflegt hat“, kann Ausgleichung bei der Erbauseinandersetzung verlangen. Die genaue Höhe des hierfür zu veranschlagenden Geldbetrages wird nach Dauer und Umfang der vorgenommenen Pflege sowie dem Wert des Nachlasses ermittelt – eine nicht ganz einfach durchzuführende Rechnung. Auch wenn es nahe liegt, bedeutet dies eben nicht, dass die Pflege durch den Angehörigen gemessen auf den zu pflegenden Zeitraum mit der Vergütung einer Pflegefachkraft gleichgesetzt und dann folgerichtig multipliziert wird.

    Stattdessen ist ein Geldbetrag zu ermitteln, der als Differenz folgender zwei Fragen Rechnung trägt: Welche Höhe hätte das Endvermögen des zu pflegenden Elternteils am Todestag gehabt, wenn dieser Elternteil im Zeitraum seiner Pflegebedürftigkeit tatsächlich hätte in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden müssen? Welche Höhe hatte das Vermögen des verstorbenen Elternteils dann tatsächlich zum Todeszeitpunkt? Ist das jetzige Vermögen des verstorbenen Elternteils tatsächlich höher als wenn der Elternteil in einem Pflegeheim untergebracht hätte werden müssen, dann kann dieser Differenzbetrag als Ausgangspunkt für die Summe herangezogen werden, welche dem die Pflege durchführenden Kind nach § 2057a Abs. 1 BGB zukommen soll.

    Laurens Häfner
    Rechtsanwalt

  • Erbrecht

    Vater mögest Du „verrecken“ – wie entziehe ich dem Kind den Pflichtteil? 

    (OLG Saarbrücken, 5 U 61/15)

    In der täglichen Beratungspraxis äußern die Mandanten oft den Wunsch, dass eines ihrer Kinder nichts erben und insbesondere auch nicht den Pflichtteil erhalten soll. Dem ersten Wunsch, wonach man das Kind enterben will, ist aus anwaltlicher Sicht leicht zu entsprechen: Hierzu müssen die Eltern lediglich ein Testament aufsetzen, in welchem sie anordnen, wer anstelle des Kindes erbt oder in welchem sie festlegen, dem betroffenen Kind nichts zukommen zu lassen.

    Schwieriger ist es jedoch, den oft geäußerten Wunsch des Mandanten einer Lösung zuzuführen, wonach das Kind am Nachlass der Eltern überhaupt nicht partizipieren soll, das Kind also auch nicht den sog. Pflichtteil beanspruchen könnte.

    Der Pflichtteil ist ein Minimum an Geldvermögen, welches ein Kind nach dem Tod seiner Eltern aus dem Nachlasswert beanspruchen kann.

    § 2333 Abs. 1 BGB regelt die Anforderungen, welche an den Entzug des Pflichtteils seitens der Eltern gegenüber eines der Kinder zu stellen sind. Neben den wenig relevanten Fallgruppen, wie etwa das Verbüßen einer längeren Gefängnisstrafe, einem versuchten Tötungsdelikt gegen die Eltern oder vernachlässigter Unterhaltspflichten, kommt es regelmäßig darauf an, ob sich das Kind gegenüber seinen Eltern eines „schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig“ gemacht hat.

    Die oft anzutreffende Konstellation der Entfremdung zwischen Eltern und Kind reicht für den Entzug des Pflichtteils also nicht aus – gemeint ist hier, dass Eltern und Kind sich auseinandergelebt haben und schon über Jahre oder gar Jahnzehnte keinerlei Kontakt mehr pflegen.

    Vielmehr muss das Kind gegenüber einem Elternteil eine Verfehlung begangen haben, die einerseits schwer wiegt und andererseits die den Eltern gegenüber geschuldete familiäre Achtung schwer verletzt. Die Rechtsprechung stellt hier auf eine empfindliche Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses ab.

    Den hohen Anforderungen an den Entzug des Pflichtteils tat eine Tochter gegenüber ihrem Vater genüge, welche in einem von dem Saarländischen Oberlandesgericht zu entscheidenden Rechtsstreit ihrem Vater mehrfach ins Gesicht schlug, ihm im Anschluss demonstrativ den Mittelfinger ins Gesicht hielt, ihn währenddessen als „Dreckschwein“, „Arschloch“ und „Idiot“ betitelte und ihm abschließend den Tod mit den Worten er möge „verrecken“ wünschte (OLG Saarbrücken – Urteil vom 05.10.2016 – 5 U 61/15). Hier sahen die Richter die hohen Anforderungen des Pflichtteilsentzugs als gegeben an und bejahten die Rechtmäßigkeit des Entzugs des Pflichtteils durch den Vater gegenüber der Tochter.

    Grenzfälle sieht die Rechtsprechung dort, wo das Kind gegenüber den Eltern einmalig gewalttätig und beleidigend in Erscheinung trat aber der Anlass hierfür in einem Affekt des Kindes lag. Exemplarisch sei hierfür die Eskalation auf einer Familienfeier genannt, in welchem ein Elternteil und das Kind – womöglich enthemmt durch Alkohol – verbal und physisch in eine Auseinandersetzung geraten. Lag der Anlass hierfür beispielsweise in Sticheleien des Vaters, welcher mit der Lebensführung des Kindes unzufrieden ist und kommt es dann durch das Kind zu einem verbal lautstark und zusätzlich vielleicht auch mit Handgreiflichkeiten geführten Streit, so spricht viel dafür, dass die hohe Messlatte der Pflichtteilsentziehung noch nicht erreicht ist, weil es sich um einen einmaligen Vorfall handelte.

    In jedem Falle müssen der Sachverhalt und die Hintergründe, welche den Elternteil veranlassen, dem Kind den Pflichtteil zu entziehen, im Testament nachvollziehbar aufgezeigt werden.

    Laurens Häfner
    Rechtsanwalt

  • Arbeitsrecht

    Inflationsausgleichsprämie als Vergleichspotential

    Relativ neu und teilweise unbekannt ist die seit 26.10.2022 gesetzlich geregelte Möglichkeit einer Inflationsausgleichsprämie (kurz IAP). Gem. § 3 Nr. 11c EStG kann der Arbeitgeber bis 31.12.2024 dem Arbeitnehmer eine IAP bis zu einer Höhe von 3.000,00 € zahlen.

    § 3 Nr. 11c EStG lautet:

    Steuerfrei sind,

    zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3 000 Euro“.

    Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Nettobetrag, d.h. es sind weder Steuern

    noch Sozialversicherungsabgaben zu entrichten.

    Aufgrund des Wortlautes der Bestimmung lann die IAP in mehreren Teilbeträgen, maximal allerdings in Höhe von 3.000,00 € gezahlt werden.

    Es muss sich um einen Arbeitnehmer im steuerlichen Sinne handeln, freie Mitarbeiter sind somit ausgeschlossen.

    Dies kann für die Arbeitsvertragsparteien von enormer Bedeutung sein, insbesondere wenn sie sich in einem außergerichtlichen oder gerichtlichen Streit befinden. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann eine Einigung und Beendigung des Streits in Betracht kommen, indem  diese IAP gezahlt wird und sich die Parteien im übrigen darauf verständigen, dass keine weiteren Ansprüche bestehen. Natürlich darf die IAP nicht anstelle des Lohns gezahlt werden.

    Beachte: Bei der Vergleichsformulierung sollte großer Wert auf die einzelnen Regelungen und des Wortlautes gelegt werden.

    Rudolf Hahn
    Rechtsanwalt
    Fachanwalt für Arbeitsrecht

  • Allgemein

    Verfassungsbeschwerde gegen berufsbezogene Impfpflicht

    Ich hatte am 22.03.2022 eine Verfassungsbeschwerde gegen § 20a IfSG erhoben, welcher die Impfpflicht in gesundheitsbezogenen Einrichtungen regelt. Konkret vertrete ich vorliegend 9 Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, welche beruflich im Bereich der Psychotherapie tätig sind. Die aus meiner Sicht umfassende Begründung fand beim Bundesverfassungsgericht wenig Gegenliebe und die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen mit der Begründung, ich hätte nicht hinreichend die Möglichkeit dargelegt, warum die Beschwerdeführer in eigenen Grundrechten verletzt sein könnten. Hier mag sich jeder selbst seine Meinung bilden. Die Sache beschäftigt nun den EGMR.

    Die Verfassungsbeschwerde sowie die Entscheidung werden hier mit ausdrücklicher Erlaubnis der Mandantschaft veröffentlicht. Ich weise darauf hin, dass es sich um urheberrechtlich geschütztes Material handelt.

    Florian Gempe
    Rechtsanwalt