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    05.10.2020 Systematische Zeiterfassung – Beziehungen unter den EU-Mitgliedstaaten

    Liebe Leser,

    heute ein Hinweis in eigener Sache:

    In meinem Beitrag

    “ Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur systematischen Arbeitszeiterfassung als rechtliche Grundlage der Beziehungen unter den EU-Mitgliedstaaten “

    in der Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht (ZESAR) 2020, 368ff. gebe ich einen kompakten Überblick über die Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019 (Rs. C-55/18) über die systematische Arbeitszeiterfassung. Ich untersuche die Rolle der EU-Mitgliedstaaten untereinander, denn die Einrichtung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung ist für die einzelnen Mitgliedstaaten verpflichtend. Dies hat das Ziel ein übergreifendes einheitliches Rechtssystem im Arbeitsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten zu schaffen, um ein unionsweiten Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten.

    Viel Spaß beim Lesen

    Ihr

    Rudolf Hahn

    Rechtsanwalt

    Fachanwalt für Arbeitsrecht

     

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    24.09.2020 Verfall von Urlaub bei Langzeiterkrankten – Hinweispflichten

    Liebe Leser,

    müssen Langzeitkranke im Laufe des Jahres aufgefordert werden, den verbleibenden Urlaub zu nehmen, da er andernfalls Ende Dezember verfällt. Das BAG hat diese Frage  mit Beschluss vom 07.07.2020 (9 AZR 401/19) dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

    Der Urlaub entsteht jeweils für ein Kalenderjahr. Er soll im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden und erlischt – soweit noch nicht genommen – grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres. Urlaub wird ausnahmsweise bis zum 31.03. des Folgejahres aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers übertragen.

    Nach dem Urteil des BAG vom 19.02.2019 Az. 9 AZR 541/15 obliegt dem Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich und nachweislich – auffordert, den Urlaub auch zu nehmen. Außerdem hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.
    Wenn der Urlaub im Kalenderjahr aufgrund von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann, wird er übertragen und muss bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden.

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichtes erlöschen die gesetzlichen Urlaubsansprüche nicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert war, den Urlaub im Urlaubsjahr und im Übertragungszeitraum zu nehmen. Gesetzlicher Urlaub bedeutet 4 Wochen Urlaub. Darüber hinaus gehende Urlaubstage können von den Arbeitsvertragsparteien frei geregelt werden.
    Damit verfällt jedenfalls der gesetzliche Urlaubsanspruch bei Langzeitkraken nicht nach dem gesetzlichen Übertragungszeitraum, am 31.03. des Folgejahres.

    Nach der Rechtsprechung des BAG erlischt der gesetzliche Urlaubsanspruch von langzeiterkranken Arbeitnehmern nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres. Der Urlaubsanspruch 2019 erlischt bei dauerhafter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit damit mit Ablauf des 31.03.2021.

    Höchstrichterlich bisher nicht geklärt ist die Frage, ob die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers für den Verfall von gesetzlichen Urlaubsansprüchen auch gegenüber langandauernd erkrankten Arbeitnehmern bestehen.

    Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nunmehr dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Kann der Urlaubsanspruchs nach Ablauf einer 15-Monats-Frist auch dann erlöschen, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können.
    Die Vorlagefrage betrifft den vor der langandauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entstandenen und nicht genommenen Urlaub.
    Ganz klar ist die Situation nicht. Die Vorlagefrage kann m. E. nur Sachverhalte betreffen, bei denen der Arbeitgeber damit rechnen können muß, dass der langzeiterkrankte Arbeitnehmer auch wieder bis zum Jahresende arbeitsfähig wird und so überhaupt erst in der Lage ist, den Urlaub zu nehmen. Anderenfalls würde eine Hinweis- und Aufforderungspflicht ins Leere gehen. Und eine Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber auszusprechen, einen Hinweis ins Blaue hinein, zu erteilen, erscheint auch nicht angebracht. Es bleibt abzuwarten, wie der Europäische Gerichtshof in Brüssel entscheidet.

    Ihr

    Rudolf Hahn
    Rechtsanwalt
    Fachanwalt für Arbeitsrecht

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    06.09.2020 Arbeitszeiterfassung via Fingerprint die zweite

    Liebe Leser,

    ein Medizinisch-Technischer Assistent weigerte sich, das vom Arbeitgeber eingeführte Arbeitszeiterfassungssystem (Fingerabdruckscanner mit Verarbeitung der Fingerlinienverzweigungen, sog. Minutien) zu benutzen. Der Arbeitgeber erteilte ihm eine Abmahnung, gegen die er sich wehrte.

    Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil v. 04.06.2020, Az. 10 Sa 2130/19 entschieden, dass aus Datenschutzgründen
    biometrische Zeiterfassungssysteme in der Regel nicht erforderlich sind, um die Arbeitszeit der Mitarbeiter zu dokumentieren. Es bestätigte damit die vorherige Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin (wir berichteten hierüber).

    Der Fingerabdruck wird zwar nicht als Ganzes verarbeitet. Allerdings seien, so das LAG Berlin-Brandenburg, auch die Minutien als biometrische Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 14 DSGVO zu klassifizieren, da auch mittels der Minutien die Person eindeutig identifiziert werden könne.
    Die Verarbeitung von biometrischen Daten zur Identifizierung einer natürlichen Person ist nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO untersagt. Die Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2b DSGVO lässt zwar ausnahmsweise zu, dass eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten  zulässig ist, wenn die Verarbeitung erforderlich ist. Dies ist jedoch bei der bloßen Erfassung der Arbeitszeit nicht der Fall. Gerade das hier eingesetzte Gerät ermöglichte auch die Erfassung der Arbeitszeit durch Transponder oder Chipkarten.

    Die Argumente der Arbeitgeberin, dass Fingerabdruckscanner kostengünstiger als das Chipkartensystem seien oder des konzerneinheitlichen Arbeitszeitmesssystems griffen nicht durch.

    Die Weigerung der Nutzung stellte deshalb keine Pflichtverletzung dar, der Kläger konnte zu Recht die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

    Die Revision wurde nicht zugelassen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Problematik, einerseits systematische, objektive, verlässliche Arbeitszeiterfassung und Datenschutz andererseits weiter entwickelt.

    Ihr

    Rudolf Hahn
    Rechtsanwalt
    Fachanwalt für Arbeitsrecht

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    Fehlende Arbeitszeiterfassung – Darlegungs- und Beweislast

    Liebe Leser,

    Kürzlich hatte das erste Arbeitsgericht in Deutschland, nämlich das Arbeitsgericht Emden im Urteil vom 20.02.2020, Az. 2 Ca 94/19 entschieden, dass Arbeitgeber – entgegen der bisherigen Gesetzeslage – generell verpflichtet seien, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu erfassen. Da der Arbeitgeber den behaupteten Vortrag des Arbeitnehmers, er habe bestimmte Stunden gearbeitet und wolle diese auch vergütet bekommen, nicht widerlegen konnte, wurde er zur Zahlung der geltend gemachten Vergütung für diese Stunden verurteilt.

    Es ging um einen Bauhelfer, der auf Stundenbasis beschäftigt war. Der Arbeitgeber zahlte ihm auf Basis von 183 Stunden geleisteter Stunden, die sich aus dem Bautagebuch ergaben, die entsprechende Vergütung hierfür. Der Arbeitnehmer behauptete unter Verweis auf seine Stundenaufzeichnungen, 195,05 Stunden gearbeitet zu haben und klagte die Differenz von 12,05 Stunden ein.

    Das Arbeitsgericht stützt seine Entscheidung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 14.05.2019, Az. C-55/18 CCOO, wonach die Mitgliedsstaaten der EU den Arbeitgebern die Pflicht auferlegen müssen, ein systematisches Arbeitszeiterfassungssystem, was verlässlich, objektiv und zugänglich sein müsse, einzurichten.
    Es leitet aus der Entscheidung des EuGH eine unmittelbare Verpflichtung der Arbeitgeber her, obwohl der deutsche Gesetzgeber noch gar keine neuen gesetzlichen Regelungen zu den Vorgaben der EuGH geschaffen hat.
    Diese unmittelbare Anwendung europäischen Rechtes ist umstritten. Es bedarf grundsätzlich zur Umsetzung der europäischen Vorgaben, zur Rechtsklar- und zur Rechtssicherheit einer Anpassung des deutschen Arbeitszeitgesetzes. Schließlich hatte der EuGH in seiner Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass die Arbeitgeber einen gewissen Ermessensspielraum einräumt bekommen müssen in Bezug auf die jeweiligen Besonderheiten des Unternehmens, wie z. B. die Betriebsgröße und sonstiger Einzelumstände. Gerade dies spricht für eine zwingend erforderliche Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber, also hier Deutschland, da ansonsten den Vorgaben des EuGH gerade nicht gerecht wird. Bis dahin müssen nach diesseitiger Auffassung die Arbeitsgerichte nach den bisherigen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast Rechtsstreite zur Vergütung lösen.

    Da das Urteil des Arbeitsgerichts Emden rechtskräftig wurde, bleibt abzuwarten, wie andere Arbeits- und Landesarbeitsgerichte reagieren und wann der Gesetzgeber handelt.

    Ihr

    Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
    Rudolf Hahn

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    Arbeitszeit bei „24-Stundenpflege“

    Liebe Leser,

    ein Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 17.08.2020 Az. 21 Sa 1900/19 hat für Aufsehen gesorgt. Es entschied, dass eine Altenpflegerin mit einer 24-Stunden-Pflege einen Anspruch auf 21 Arbeitsstunden pro Tag a Mindestlohn hat.

    Eine bulgarische Pflegerin, die im Rahmen einer 24-Stunden-Pflege eine 96-Jährige häuslich betreute, erhielt gemäß Vereinbarung im Arbeitsvertrag eine Vergütung für 30 Stunden pro Woche. Sie lebte und übernachtete im Haushalt der von ihr zu betreuenden Person.

    Der Arbeitsvertrag sah eine umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts vor, sie leistete der Betreuten auch Gesellschaft.

    Nach einigen Monaten verlangte sie für die Zeit ihres „Rund-um-die-Uhr-Einsatzes“ eine Vergütung von 24 Stunden täglich. Dies begründete sie damit, dass sie täglich von 6 Uhr morgens bis 22 oder 23 Uhr abends im Einsatz gewesen sei. Zudem habe sie sich auch nachts bereithalten müssen. Der Arbeitgeber bestritt diese Arbeitszeiten und berief sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit.

    Das Gericht hielt es für treuwidrig, dass sich der Arbeitgeber auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Zeit von 30 Stunden pro Woche berufen dürfe. Der Pflegekraft habe vom Arbeitgeber sowohl die Verantwortung für die zugesagte umfassende Pflege als auch für die Einhaltung der Arbeitszeit übertragen bekommen. Dies war mit den angesetzten 30 Stunden nicht machbar. Das Gericht berücksichtigt auch die Nachtzeit als vergütungspflichtigen Bereitschaftsdienst. Nach Einschätzung des Gerichts hielt es lediglich drei Stunden täglich für nicht ansetzbar, da die Pflegerin sich in dieser Zeit ihren Aufgaben entziehen konnte.

    Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt nun die vollständige Begründung abzuwarten und natürlich auch, ob Revision eingelegt wird. Dabei wird spannend sein, wie das Gericht konkret auf 21 Stunden Arbeitszeit kommt. Schließlich muß die Altenpflegerin auch mal schlafen….