Strafrecht

Zwangstestung ist keine Körperverletzung

Das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschl. v. 10.05.2021 – 1 Ws 141/21) hat entschieden, dass die entgegen den Willen des Kindes und der Eltern durchgeführte Zwangstestung eines Kindes durch einen Amtsarzt oder Mitarbeiter des Gesundheitsamtes mittels eines COVID-19-Tests (PCR-Rachenabstrich) keine Körperverletzung sei. Der entsprechende Klageerzwingungsantrag nach § 172 StPO wurde (auch aus anderen Gründen) abgelehnt, weil eine Strafbarkeit nach § 340 StGB (Körperverletzung im Amt) o.ä. nicht gegeben sei.

Das Gericht wirft dem Hausarzt, welcher dem Kind „schwere psychische Traumatisierung, depressive Phasen (anhaltendes Weinen), aggressives Verhalten, Schlafstörungen, Alpträume und Unsicherheit“ attestierte, die Ausstellung eines falschen Gesundheitszeugnisses vor. Dies wird allein damit begründet, dass es sich um einen Facharzt für Allgemeinmedizin handelt, der das Kind lediglich einmal untersuchte. Die Schlussfolgerung ist nicht nachvollziehbar und gehört nicht in eine derartige Entscheidung, da es nicht Gegenstand des Verfahrens ist und das Gericht auch nicht weisungsbefugt gegenüber der Staatsanwaltschaft ist. Es ist auffällig, wie leicht heutzutage mit derartigen Vorwürfen um sich geworfen wird.

Die Begründung, warum keine Körperverletzung vorliege, ist haarsträubend. Es wird mit einer Notlage argumentiert. Und mit Verhältnismäßigkeit. Allen Ernstes schreibt das Oberlandesgericht:

„Aber selbst bei einer gegebenen Traumatisierung des Antragstellers wäre der durchgeführte Rachenabstrich verhältnismäßig, da im Gegensatz dazu die Schäden, die bei einer weiteren und vor allem ungebremsten Verbreitung des Virus und einem deutlichen Ansteigen der Erkrankungs- und Todeszahlen für eine sehr große Zahl von Menschen zu gewärtigen wären, von deutlich höherem Gewicht sind.“

Mit der Gefährlichkeit von COVID-19 kann also alles begründet werden.

Man wähnt sich in der falschen Gerichtsbarkeit, denn das sind Begründungen aus dem Verwaltungsrecht, nicht aus dem Strafrecht. Es hätte dem Ansehen der Gerichte gut getan, sich mit den Tatbestandsmerkmalen des § 223 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen sowie mit möglichen Rechtfertigungsgründen. Ob eine körperliche Misshandlung (z.B. Schmerzen) oder eine Gesundheitsschädigung (z.B. psychische Beeinträchtigungen) vorliegt, kann nicht mit dem bloßen Verweis auf ein scheinbar oberflächliches ärztliches Attest abgewiegelt werden, sondern hätte in dem Ermittlungsverfahren aufgeklärt werden müssen (Amtsaufklärungspflicht). Wenn der objektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB zu bejahen wäre, hätte man sodann den Vorsatz des Beschuldigten prüfen müssen sowie eine etwaige Rechtfertigung. Letztere ist nicht unproblematisch, denn hierfür existiert im Strafrecht nur eine begrenzte Zahl von Rechtfertigungsgründen. Die Einwilligung des Kindes scheidet aus, die der Eltern lag nicht vor. Notwehr und Notstand (§§ 32, 34 StGB) wurden nicht diskutiert, lagen aber ersichtlich nicht vor. Ob eine verwaltungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage – hier der vom OLG zitierte § 25 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 IfSG – überhaupt als Rechtfertigungsgrund für eine Körperverletzung in Betracht kommt, wird von dem Gericht überhaupt nicht diskutiert. Meiner Ansicht nach erscheint dies eher fernliegend, insbesondere da der Wortlaut der Norm darauf abstellt, dass Kranke, Krankheitsverdächtige etc. „verpflichtet werden“ können, bestimmte Tests an sich durchführen zu lassen. Dort steht nichts von Zwangstestungen.

Nach der Entscheidung des OLG wäre es gleichermaßen zulässig, wenn eine testunwillige Person gefesselt und gewaltsam getestet würde. Wenn so Juristerei betrieben wird, ist der Weg zur Zwangsimpfung nicht mehr weit,

findet

Florian Gempe
Rechtsanwalt
Strafverteidiger

 

Der Volltext der Entscheidung ist abrufbar unter: https://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/6303.htm