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24.09.2020 Verfall von Urlaub bei Langzeiterkrankten – Hinweispflichten

Liebe Leser,

müssen Langzeitkranke im Laufe des Jahres aufgefordert werden, den verbleibenden Urlaub zu nehmen, da er andernfalls Ende Dezember verfällt. Das BAG hat diese Frage  mit Beschluss vom 07.07.2020 (9 AZR 401/19) dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

Der Urlaub entsteht jeweils für ein Kalenderjahr. Er soll im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden und erlischt – soweit noch nicht genommen – grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres. Urlaub wird ausnahmsweise bis zum 31.03. des Folgejahres aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers übertragen.

Nach dem Urteil des BAG vom 19.02.2019 Az. 9 AZR 541/15 obliegt dem Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich und nachweislich – auffordert, den Urlaub auch zu nehmen. Außerdem hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.
Wenn der Urlaub im Kalenderjahr aufgrund von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann, wird er übertragen und muss bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichtes erlöschen die gesetzlichen Urlaubsansprüche nicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert war, den Urlaub im Urlaubsjahr und im Übertragungszeitraum zu nehmen. Gesetzlicher Urlaub bedeutet 4 Wochen Urlaub. Darüber hinaus gehende Urlaubstage können von den Arbeitsvertragsparteien frei geregelt werden.
Damit verfällt jedenfalls der gesetzliche Urlaubsanspruch bei Langzeitkraken nicht nach dem gesetzlichen Übertragungszeitraum, am 31.03. des Folgejahres.

Nach der Rechtsprechung des BAG erlischt der gesetzliche Urlaubsanspruch von langzeiterkranken Arbeitnehmern nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres. Der Urlaubsanspruch 2019 erlischt bei dauerhafter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit damit mit Ablauf des 31.03.2021.

Höchstrichterlich bisher nicht geklärt ist die Frage, ob die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers für den Verfall von gesetzlichen Urlaubsansprüchen auch gegenüber langandauernd erkrankten Arbeitnehmern bestehen.

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nunmehr dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Kann der Urlaubsanspruchs nach Ablauf einer 15-Monats-Frist auch dann erlöschen, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können.
Die Vorlagefrage betrifft den vor der langandauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entstandenen und nicht genommenen Urlaub.
Ganz klar ist die Situation nicht. Die Vorlagefrage kann m. E. nur Sachverhalte betreffen, bei denen der Arbeitgeber damit rechnen können muß, dass der langzeiterkrankte Arbeitnehmer auch wieder bis zum Jahresende arbeitsfähig wird und so überhaupt erst in der Lage ist, den Urlaub zu nehmen. Anderenfalls würde eine Hinweis- und Aufforderungspflicht ins Leere gehen. Und eine Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber auszusprechen, einen Hinweis ins Blaue hinein, zu erteilen, erscheint auch nicht angebracht. Es bleibt abzuwarten, wie der Europäische Gerichtshof in Brüssel entscheidet.

Ihr

Rudolf Hahn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht