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Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) – Entbehrlichkeit?

Liebe Leser,

das betriebliche Eingliederungsmanagement wurde 2004 eingeführt. Die Arbeitgeber sind seitdem verpflichtet, länger erkrankten Beschäftigten ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) anzubieten. Nach § 84 Abs. 2 SGB (Sozialgesetzbuch) IX muß der Arbeitgeber allen Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein bEM anbieten, d.h. er muß klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Die Teilnahme des Arbeitnehmers am bEM ist stets freiwillig, keiner kann hierzu gezwungen werden, es dürfen keine negativen Schlüsse an der Nichtteilnahme gezogen werden.

Vorliegend hatte die Arbeitnehmerin im Oktober 2013 und im März 2014 das angebotene bEM abgelehnt. Im August 2015 lud die Arbeitgeberin sie zu einem Gespräch über ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten ein, nicht aber zu einem bEM. Im Rahmen des Gesprächs teilte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin mit, dass ihr krankheitsbedingt gekündigt werden solle. Die Arbeitnehmerin bot daraufhin an, alle Diagnosen offenzulegen und sich ärztlich untersuchen zu lassen.

Die Arbeitgeberin kündigte schließlich das Arbeitsverhältnis im September 2015. Die Arbeitnehmerin erhebt Kündigungsschutzklage, u. a. mit der Argumentation, dass vor Ausspruch der Kündigung erneut ein bEM angeboten und – bei unterstellter Zustimmung durch die Arbeitnehmerin – durchgeführt werden hätte müssen.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf gibt ihr Recht (Urteil vom 20.10.2016, Az. 13 Sa 356/16). Die Durchführung eines bEM sei nicht entbehrlich gewesen, weil die Arbeitnehmerin die Angebote in den Jahren 2013 und 2014 abgelehnt hatte. Das bEM sei wiederholt anzubieten und ggfls. durchzuführen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erneut erfüllt würden. Mit der Beendigung des Berechnungszeitraumes, d.h. dem Zeitpunkt, in dem eine sechswöchige Arbeitsunfähigkeit eingetreten sei, setze ein neuer ein. Die Ablehnung des bEM durch die Arbeitnehmerin habe nur dann kündigungsrechtliche Relevanz, wenn zeitnah die Kündigung ausgesprochen werde. Bei einem Jahr später sei dies nicht mehr der Fall.

Wie lange die Ablehnung letztlich Relevanz hat, ist innerhalb des Zeitrahmens von 6 Wochen und 1 Jahr zu beurteilen (vgl. hierzu auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3.6.2015, Az. 6 Sa 396/14).